Aida Kirschke-Zier – spricht mit den Händen und ihrer Miene

Aida Kirschke-Zier – spricht mit den Händen und ihrer Miene

Lebendige Gestik und eine ausgeprägte Mimik unterstreichen die Worte von Aida Kirschke-Zier, mit der ich heute über ihr Leben und ihre Pläne plaudere.

In ihrem gemütlichen Haus in Luhdorf empfängt mich als erstes eine junge und quicklebendige Schäferhund-Labrador-Mischung. Der Hund bekommt erst einmal lauthals Ärger mit Frauchen, denn er schäumt fast über vor Interesse an mir. Er gehorcht brav und verlangt Streicheleinheiten und Aida und ihr kleiner Sohn demonstrieren mir, wie er auch auf Zeichen mit Händen und auf Körpersprache reagiert, wenn er nicht gerade draußen frei herumtollt. Da braucht es doch eine klare Ansage! Und das, obwohl Aida gehörlos ist und sie in ihrem Alltag in Gebärdensprache kommuniziert.An der Münze

Kennengelernt habe ich Aida als Kursleiterin beim Gebärdensprachkurs, den ich einfach aus Interesse an dieser Sprache besucht habe. Mit umfänglichen Zeichnungen, einem großen Paket an Unterlagen und mit viel Spaß bei der Sache hat sie uns in die Welt der Gebärden und der Gehörlosen einen ersten Einblick gegeben. Wie ungewohnt war es, in DGS (Deutsche Gebärdensprache) plötzlich das Gesicht beim „Reden“, pardon, beim Kommunizieren miteinander zu bewegen, die Mimik aktiv einzusetzen und wie ungeschickt fühlte ich mich, eine Geste so deutlich auszuführen, dass sie auch das bedeutete, was sie bedeuten sollte. Fast Hemmungen hatten wir Hörenden, durch diese Sprache viel mehr von uns preiszugeben, als es uns im ersten Moment lieb war. Bitte fragen Sie nicht, wie beschämend wenig von dieser hochinteressanten Sprache bei mir hängengeblieben ist. Was fehlt, ist einfach die Übung und die Gelegenheit, sie anzuwenden. Das ist Aida auch bewusst und was ihr noch viel bewusster ist: die große Bedeutung des Kontakts und Kulturaustausches zwischen Gehörlosen und Hörenden. So setzt sie sich schon mit ihren Sprachkursen aktiv dafür ein, die Welt der Gehörlosen und Hörenden einander näher zu bringen.

Doch noch kurz zur Sprache selber und zu ihrem Verständnis: Unter den zahlreiche Sprachen dieser Welt, den Lautsprachen in gesprochener und geschriebener Form, gibt es die Gebärdensprache, in der mit Gesten und der Mimik kommuniziert wird und die vor allem von Gehörlosen beherrscht wird. Sie ist eine vollständige Sprache mit grammatikalischen Regeln und einem umfassenden Vokabular. Regional und international gibt es in dieser Sprache große Unterschiede, sie ist also nicht universell. Erst 2002 ist die DGS offiziell als eigenständige Sprache anerkannt worden.

Für Aida Kirschke-Zier ist sie die bevorzugte Kommunikationsform und in ihrer lebendigen und fröhlichen Art zu reden, fliegen ihre Hände, unterstützen das (jetzt für mich als Hörende) Gesagte und ihre Mimik lässt durch die deutliche Betonung keinen Zweifel. Sprechen kann Aida sehr gut, da sie nicht von Anfang an gehörlos war, doch kann sie nicht hören, was sie sagt. Da muss ich mich schon sehr zurückhalten, nicht ähnlich lebhaft zu antworten, denn das Lippenlesen ist nur möglich, wenn ich langsam und sehr deutlich artikuliere. Seit ihrem dritten Lebensjahr an durch einen Infekt schwerhörig und ertaubt seit 2004 hat sie die Gebärdensprache früh gelernt. Doch anwenden durfte sie sie in ihrer Schulzeit in einem spezialisierten Internat nicht. Lange meinte man nämlich, dass das Kommunizieren in der Gebärdensprache das Erlernen der (kaum oder nicht hörbaren) Lautsprache verhindern könnte und so der Kontakt zur Welt der Hörenden noch schwieriger würde.

Doch wer die temperamentvolle Frau erlebt,  für den besteht gar kein Zweifel, dass die Gebärdensprache in irgendeiner Weise einschränkend sein könnte. Mit ihrer kleinen Familie und ihrem Hund kommuniziert sie auf unterschiedliche Weise. Mit ihrem 6-jährigen Sohn spricht sie viel in Lautsprache und unterstützt das Gesagte durch Gebärden. Ihr Sohn antwortet auf die gleiche Weise. Sie versteht seine Lautsprache durch das Ablesen der Lippenbewegung. Mit dem Vater kommuniziert er nur mit Gebärden. So ist der Kleine mehrsprachig aufgewachsen, hat die Lautsprache teils von seiner Mutter, teils mit der (hörenden) Familie und anderen Kindern in seinem Viertel und in der Kita gelernt. Zusätzlich hat er das Glück, einen Teil der Familie in England zu haben, so kommt noch ein wenig Englisch dazu. Unterstützung bekommt er durch eine Sprachtherapie, um eine gute Aussprache zu üben.

Aidas Mann ist ebenfalls vollkommen gehörlos. Er ist als Berater bei der Diakonie Deutschland tätig und unterstützt dort Gehörlose in beruflichen Fragen und bei Alltagsproblemen.

Die Gebärdensprachkurse sind aber nur ein Teil der beruflichen Aktivitäten von Aida. Während ihrer ursprünglichen Ausbildung als Näherin fiel sie mit ihrer offenen, intelligenten und kommunikativen Art in ihrer Schule in Königslutter positiv auf und wurde vom Ergotherapeuten auf eine Weiterbildung angesprochen. So sattelte sie um und war viele Jahre als Ergotherapeutin in der Schule recht gefragt und glücklich. Doch nach der Trennung von ihrem ersten, hörenden Mann, mit dem sie auch einen inzwischen erwachsenen Sohn hat, ging sie nach Lüneburg. Und hier sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt leider nicht ideal. Verschiedene Möglichkeiten, die ihr versprochen wurden, haben sich nicht realisiert. So fing sie an, sich für Gebärdensprachkurse für Hörende zu interessieren und mischt inzwischen ehrenamtlich kräftig im Gehörlosenverein in Lüneburg mit.

Ihr Traum?

Sie möchte gerne wieder als Ergotherapeutin arbeiten. Und Ihr größter Wunsch an die Zukunft ist, dass alle Menschen wenigstens ein paar Vokabeln Gebärdensprache lernen, um miteinander  kommunizieren zu können.  Ein Freund von ihr, der in den USA war, berichtete, dass dort wesentlich mehr Menschen in Geschäften, Restaurants und in vielen öffentlichen Einrichtungen diese Sprache wenigstens ansatzweise beherrschen. Warum nicht die Europäer? Deswegen wünscht sie sich von Ihnen, liebe Leser, dass Sie, ja, genau Sie, den Anfang machen und zum Stammtisch des Gehörlosenvereins Lüneburg und zu ihren Kursen kommen. Sehen wir uns dort am 7 Juni?

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