Bedeutende Frauen Teil 3
Am 2. April 2013 jährt sich zum 200. Mal die spektakuläre Tat des „Heldenmädchens von Lüneburg“ Johanna Stegen. Vielleicht sind Sie darauf gekommen, dass sie unsere gesuchte Lüneburgerin der letzten Woche war? Gut möglich, dass Sie schon einmal über die nach ihr benannten Straße in der Nähe von Volgershall gefahren sind; dann können sie sich jetzt vorstellen, wer die geheimnisvolle Johanna Stegen war.
Als weitere bedeutende Lüneburgerin stellen wir Ihnen eine Dame vor, die eine große kulturelle Bedeutung für Lüneburg hatte. 1850 in Lüneburg geboren, sollte sie das gesellschaftliche Leben unserer Stadt mit einer einmaligen Salonkultur prägen und junge musikalische Talente fördern.
Bis ins 19. Jahrhundert galten Tätigkeiten und Berufe im kulturell-künstlerischen Bereich für Frauen als anstößig und unmoralisch. Es war in dieser Epoche noch selten, dass eine Frau und Künstlerin zu ihren Lebzeiten für Ihr Werk öffentlich anerkannt wurde. Doch formierten sich bereits im 18. Jahrhundert in Frankreich die im 17. Jahrhundert in Paris entstandenen Salons, und somit die verfeinerte gesellschaftliche Kultur, vor allem um gebildete Frauen. Diese Salonkultur, in der sich Gelehrte, Diplomaten, Politiker und Künstler einer zwanglosen, aber gepflegten Konversation hingaben, gesellschaftliche und politische Geschehen diskutierten und über Tagesgeschehen plauderten, bildete sich dann in Deutschland im 19. Jahrhundert aus.
So erhielt unsere gesuchte Lüneburgerin als Tochter des Sanitätsrates und Bürgervorstehers Dr. Hermann Stieck eine gute Schulbildung in der 1830 gegründeten höheren Töchterschule (die spätere Wilhelm-Raabe-Schule) und eine hauswirtschaftliche Ausbildung im Pastorenhaus von Sothen in Amelinghausen. Die lebens- und reiselustige und auch recht modern eingestellte Frau lernte bei ihrem Großvater in Hannover das kulturelle Leben kennen. Sie war auf Bällen eine begehrte Tanzpartnerin und gute Sängerin mit einer wunderschönen Altstimme. 1869 heiratete sie ihren Mann (dem sie übrigens erst ihr Jawort gab, bevor sie ihren Vater von ihrem Vorhaben informierte), einen später sehr angesehenen Lüneburger Rechtsanwalt. Sie wohnten erst in einem der ältesten Häuser Lüneburgs (Am Berge 35) und bekamen drei Kinder. Später kaufte ihr Mann ihrem Vater das modernisierte Elternhaus in der Grapengießer Straße 38 ab, wo sie bis zum Ende wohnten.
Bei Besuchen ihrer Schwester in Berlin, sie hatte insgesamt vier Geschwister, lernte sie im Winter 1872/73 viele Berühmtheiten der damaligen Zeit kennen, unter anderem Kaiser Wilhelm I., außerdem Sänger, Schauspieler und andere damals berühmte Künstler. Das war vielleicht der Anlass, in ihrem Haus ebenfalls viele bedeutende Gäste zu empfangen und so die Salonkultur nach Lüneburg zu bringen. Sie wurde für ihre Gastfreundschaft und ihre Abende mit gepflegter Konversation geschätzt. Ihre Einladungen waren bekannt für hervorragendes Essen, ihre musikalische Begleitung und interessanten Vorträge der angesehenen Teilnehmer. Eine später von ihr initiierte Vortragsreihe am Johanneum, die viele bedeutende Wissenschaftler nach Lüneburg zog, kann als Vorläufer der Universitätswochen der Stadt angesehen werden.
Auch setzte sie sich stark für eine finanzielle Unterstützung junger musikbegabter Talente ein und sorgte für ihre musikalische Ausbildung. Von ihren Schützlingen machte vor allem die junge Lüneburgerin Charlotte Huhn eine Weltkarriere als Opernsängerin.
Unsere Lüneburgerin erreichte das beachtliche Alter von 81 Jahren. Sie hat Lüneburg kulturell und geistig tiefgreifend beeinflusst. Zwar wurde nicht nach ihr, sondern nach ihrem Mann eine Straße in Lüneburg benannt, doch mit ihrer modernen und gebildeten Denkart war sie sicher für die ihr nachfolgenden Frauengenerationen ein gutes Vorbild.
Dieses Portrait ist erstellt worden mit Hilfe der Diplomarbeit von Constanze Sörensen: Biographien Lüneburger Frauen. Kulturelle Bedeutung von Frauen. Lüneburg, 2005