Bedeutende Frauen Teil 5
Haben Sie sie erkannt? Sophie Kühnau war die gesuchte historische Persönlichkeit der letzten Woche. Der Name der Stiftung lautet Stiftung Kühnausche Gründung Lüneburg und ist in der Barckhausenstraße 6 angesiedelt. Das Haus dient also seit 137 Jahren seinem ihm zugedachten Zweck, Bedürftigen der Gesellschaft zu helfen.
Heute gehen wir in der Zeit wieder etwas nach vorn. Unsere echte Lüneburgerin wurde 1884 geboren, sie war also 10 Jahre alt, als Sophie Kühnau starb. Sie war sicher eines der Kinder, das im Kinderhospital eine kostenlose Behandlung bekommen hätte, denn sie wurde als Tochter eines Lüneburger Fabrikarbeiters in ärmlichste Verhältnisse geboren. Sie war eine unglaublich kämpferische und politisch engagierte Persönlichkeit, die ihr Leben von jungen Jahren an den noch Ärmeren und Hilfsbedürftigen widmete. Eine Lüneburger Institution, an deren Planung sie seit Ende der 40er Jahre maßgeblich beteiligt war, trägt auch heute noch ihren Namen.
Der Vater unserer Lüneburgerin starb, als sie 7 Jahre alt war. Schon früh musste sie Geld mitverdienen. Mit 19 wurde sie zur Vollwaise, als ihre Mutter 1903 an Unterernährung starb. Mit 20 heiratete sie einen Fabrikarbeiter und bekam zwei Töchter, die ständige finanzielle Not blieb. Die Situation der Familie verschlimmerte sich mit Ausbruch des ersten Weltkriegs, als ihr Mann schwer verwundet wurde und dadurch bis zu seinem frühen Tod 1929 erwerbsunfähig blieb. Mit einer Schweineräucherei, die sie in der Heiligengeiststraße pachtete, schaffte sie es, die Familie zu ernähren. Dennoch fand sie immer Zeit für ihre ärmeren Mitmenschen.
1908 wurde Frauen erstmals die Mitgliedschaft in Parteien und Gewerkschaften gestattet. So trat sie in die SPD ein, arbeitete in der Armenfürsorge und setzte sich für gewerkschaftliche Interessen ein. Nachdem 1918 das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen in Kraft trat, informierte sie auf einer Versammlung die Hausangestellten, Wasch-und Scheuerfrauen über ihre neuen Rechte. Als eine der ersten Frauen auf der SPD-Liste zog sie dann auch ins Rathaus ein. So war sie bis 1924, bis ihr Mann immer pflegebedürftiger wurde, politisch in Lüneburg aktiv und kümmerte sich vor allem um soziale Belange. So baute sie, nachdem die SPD beschlossen hatte, einen Wohlfahrtsausschuss ins Leben zu rufen und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu gründen, mit anderen gleichgesinnten Frauen die AWO in Lüneburg auf. Von der Nachbarschaftshilfe über Kinderbetreuung und eine Nähstube für arbeitslose Kriegswitwen konnte auf diese Weise notleidenden Menschen ganz im Sinne unserer Lüneburgerin geholfen werden.
1933 bekam sie als Sozialdemokratin Hausverbot im Rathaus und die AWO löste sich lieber auf, als von den Nationalsozialisten in die Deutsche Arbeitsfront zwangseingegliedert zu werden. So ruhte ihr politisches Engagement während des Krieges. Nach Kriegsende nahm sie es jedoch sofort wieder auf, begründete erneut die AWO und half so, unbürokratisch die größte Not zu lindern.
Erst als Vertreterin der Lüneburger Bevölkerung, dann im Rat der Stadt als Armenvorsteherin und Vorsitzende des Sozialausschusses war sie bis 1956 aktiv. Seit dem Ende der 40er Jahre machte sie sich für eine Institution (die ihren Namen trägt)f ür pflegebedürftige Lüneburger am ruhigen Stadtrand stark, doch bekam sie deren Vollendung und Einweihung 1961 leider nicht mehr mit. Da ihre Aufopferung in Politik und Gesellschaft gesundheitlich nicht ohne Folgen blieben, musste sie ihr Engagement zum Ende hin stark einschränken. 1958 starb sie im Alter von 74 Jahren als hochgeachtete und respektierte Kommunalpolitikerin, deren Lebensmotto lautete: „Man muss sich für die verantwortlich fühlen, die sich selbst nicht helfen können.“
Dieses Portrait ist erstellt worden mit Hilfe der Diplomarbeit von Constanze Sörensen: Biographien Lüneburger Frauen. Politische Bedeutung von Frauen. Lüneburg, 2005