Eine bedeutende Politikerin
Über die Buchtitel der Sylter Trilogie haben Sie sicher bei unserem letzten historischen Portrait die Schriftstellerin Margarete Boie erkannt. Ihr Buch „Dammbau“, in dem es um den Bau des Hindenburgdamm geht, der seit 1927 die Insel mit dem Festland verbindet, kann man noch heute problemlos kaufen. Das Buch, in dem es um die technischen und auch menschlichen Schwierigkeiten bei der Erstellung dieses Bauwerks geht und einen lebendigen Eindruck aus der Zeit zwischen den Weltkriegen am Einzelschicksal des letzten Morsumer Pfarrers schildert, ist noch heute spannend zu lesen.
Am 1. April jährte sich ja auch die Heldentat von Johanna Stegen zum 200. Mal. In der Osterausgabe und in der Ausgabe vom 5. April unserer Tageszeitung gab es interessante Artikel über sie, die Sie vielleicht auch gelesen haben.
Nun geht unsere historische Serie über bedeutende Lüneburgerinnen dem Ende zu. Wir haben hier nicht alle Frauen, die in den Büchern von Constanze Sörensen portraitiert wurden, erwähnt und es gibt noch so viele, die in, für und mit Lüneburg eine große Rolle gespielt haben und ohne die das heutige Lüneburg nicht das wäre, was es heute ist. Nicht zu vergessen natürlich diejenigen, die uns Lüneburgern noch in aktiver Erinnerung sind, wie z.B. Brigitte Hasenclever, mit der wir unsere Serie begonnen haben oder auch Ina Körner, die 1958 zur ersten Bürgermeisterin von Lüneburg gewählt wurde, Lucia Pfohe, deren Strickpullover der Grundstein für ein lange Jahre erfolgreiches Modeunternehmen war oder auch die Klosterfrauen des Lüner Klosters.
Heute gehen wir also nochmal ziemlich weit zurück und ich denke mal, Sie werden ganz schnell erraten, um wen es sich handeln wird, denn sie ist Ihnen bestimmt keine Unbekannte. Ihre Geschichte ist nicht einfach wiederzugeben, handelt aber von einer lebenslangen Liebe, die der Französin in Lüneburg 12 späte Lebensjahre in einem recht ansehnlichen Gebäude in der Stadtmitte bescherten.
Geboren 1637 in Südwestfrankreich war es für den Vater einer recht kinderreichen Familie mit einem ansehnlichen Rang im Landadel des Herzogtums Poitou aus finanziellen Gründen nicht einfach, seine Tochter standesgemäß zu erziehen. So wurde die junge Calvinistin bereits mit 14 Jahren in hochgestellte Gesellschaftskreise eingeführt und lebte später als Hofdame bei einem jungen calvinistischen Prinzenpaar. Auf diese Weise kam sie an den Hof von Versailles und fiel dort durch ihre charmante Art, Schönheit und guten gesellschaftlichen Umgangsformen auf. Da Ludwig der XIV jedoch den Calvinisten zunehmend das Leben schwerer machte, ging sie mit ins Exil nach Holland und lernte 1663/64 bei einem Besuch der Prinzessin bei ihrer Familie in Kassel ihren zunächst lange Zeit erst Geliebten und späteren Mann kennen.
Dieser hatte, um einer unerwünschten Eheschließung zu entgehen, schon 1658 zugunsten seines jüngsten Bruders auf seine Erbfolge verzichtet und einen Heiratsverzicht geschworen. Da aber sein älterer Bruder 1665 starb, trat er dessen Regierungsgeschäfte in Celle an und konnte seine sehr zögernde Geliebte überreden, ohne kirchlichen Segen mit ihm zusammenzuleben. Praktisch ein Skandal zur damaligen Zeit und für die strenggläubige Französin. Sie bekam dafür aber einen Vertrag, in dem ihr ihr Geliebter eine lebenslange Partnerschaft und finanzielle Sicherheit über seinen Tod hinaus garantierte. Zusätzlich erhielt sie einen ersten Titel, das Ansehen der Hofgesellschaft jedoch blieb aus.
Um ihre einzige Tochter zu legitimieren, bemühten sie den österreichische Kaiser Leopold I., Mutter und Tochter zu Gräfinnen zu ernennen und die Tochter zusätzlich zur Prinzessin, damit einer guten Heirat nichts im Wege stand. Im Jahr der zweiten Schwangerschaft 1676 durften die beiden unter Auflage von Bedingungen endlich heiraten, doch leider wurde die zweite Tochter tot geboren.
Die arme erste Tochter musste später ihren Cousin (den späteren König von Großbritannien) heiraten, doch die beiden mochten sich nicht. Zwar bekamen sie zwei Kinder, doch waren die außerehelichen Affären des Mannes eine Selbstverständlichkeit, ihre jedoch galt als Verbrechen und wurde mit der Scheidung und lebenslänglichen Verbannung in Ahlden bestraft. Ihr Liebhaber bezahlte mit dem Tod.
Unsere spätere Lüneburgerin hatte einen guten Einfluss auf ihren Mann, der vorher wohl weniger zuverlässig war und sein Geld auf Reisen verprasste. Er wurde ein guter Regent und durch das diplomatische Geschick seiner Frau kamen viele bedeutende Zeitgenossen an den Hof. Sie war gerecht, gütig zu allen und großherzig zu den Armen, unterstützte Waisenhäuser und setzte sich für die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten ein. Den Glaubensflüchtlingen half sie, indem sie ihnen Arbeit am Hof gab und unterstützte den Aufbau von hugenottischer Kirche und Schulwesen. Für ihre Zeit galt sie als ein herausragendes Vorbild.
Nach dem Tod ihres Mannes 1705 zog sie nach Lüneburg auf das für sie gebaute Schloss und lebte hier recht zurückgezogen bis 1717. Da ihr die Kutschfahrten zu ihrer Tochter nach Ahlden jedoch immer schwerer fielen, ging sie schließlich zurück auf das Celler Schloss, wo sie in der Nähe ihrer Tochter sein konnte. Dort starb sie 1722 im respektiven Alter von 85 Jahren.
Sie, die Hugenottin, „La Parvenue“ (der Emporkömmling), Gemahlin von Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Celle, Mutter der Gefangenen von Ahlden, Schwiegermutter von Georg I. König von Großbritannien, Großmutter der Königin von Preußen und des Königs von Großbritannien und Urgroßmutter des Price of Wales und Friederich des Großen wird auch die Stammmutter Europas genannt.
Und Sie haben sie sicher schon längst erkannt, es war Eléonore Desmier d’Olbreuse, das ehemalige Landedelfräulein aus dem Poitou, die in dem seit 1925 zum Lüneburger Landgericht umgewandelten Stadtschloss und Witwensitz gelebt hat.
Dieses Portrait ist erstellt worden mit Hilfe der Diplomarbeit von Constanze Sörensen: Biographien Lüneburger Frauen. Politische Bedeutung von Frauen. Lüneburg, 2005