Lüneburgs erste Lehrerin mit wissenschaftlicher Abschlussprüfung

Lüneburgs erste Lehrerin mit wissenschaftlicher Abschlussprüfung

…und erste Frau im Vorstand des MTV. Wer war sie?

Unsere gesuchte Lüneburgerin vom letzen Mal war Anna Vogeley, vielleicht haben Sie das Seniorenzentrum in der Wichernstraße (einst der Stadtrand von Lüneburg und im Grünen gelegen) erraten, das nach ihr benannt ist. Auch ist die Gründung der AWO (Arbeiterwohlfahrt) in Lüneburg auf sie zurückzuführen, wo sie sich unermüdlich engagiert hatte.

Unsere heute gesuchte Lüneburgerin wurde 1860 geboren (natürlich in Lüneburg). Vielleicht war sie auch ein gern gesehener Gast bei Marie Gravenhorst? Ihr gesellschaftlicher Stand als älteste von fünf Geschwistern des Stadtbaumeisters und schließlich als studierte Frau, was sehr ungewöhnlich war zu ihrer Zeit, hat zu mindestens diese Möglichkeit zugelassen.

Sie war ein sehr quirliges und aufgewecktes Mädchen, für das der Vater sehr viel Verständnis hatte und das er sicher sehr liebte. Nachdem die Mutter früh verstarb, die Kleine war erst drei Jahre alt, kümmerte sich die ältere Schwester der Mutter um die kleine Familie und der Vater nahm sich ihrer ganz besonders an.  Er nahm sie auf seine Baustellen mit, zum Schlittschuhlaufen und zu Wanderungen, ließ sie dort springen, laufen und auf die Gerüste klettern, damit die ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachgeben konnte. Sie kam auf die Höhere Töchterschule, wo sie mit 16 ihren Abschluss machte.

Ungewöhnlich für ihre Zeit war auch die Entscheidung, eine Ausbildung zur Lehrerin am Lehrerinnenseminar in Wolfenbüttel zu machen. Das hatte ein Mädchen aus gutem Hause für gewöhnlich nicht nötig, denn es heiratete und wurde Hausfrau, wie wir bereits in den bisherigen Portraits auch gesehen haben. Während ihrer Ausbildung war es für sie eine besondere Freude, Turnunterricht nach Musik zu haben.

1889 kehrte sie nach einigen Jahren als Erzieherin und in Schlesien und in der Schweiz nach Lüneburg zurück und wurde hier ordentliche Lehrerin an der Höheren Töchterschule. Sie war eine sehr gute Lehrerin und es mangelte an der Schule an akademisch gebildeten Lehrern. So nutze sie die Möglichkeit, an der Georg-Augusta-Universität in Göttingen Französisch, Naturwissenschaften, Geschichte, Kunstgeschichte, antike Kultur und altdeutsches Wirtschaftswesen zu studieren und ihr Staatsexamen abzulegen.

Von 1897 bis zu ihrem Ruhestand 1925 war sie eine geschätzte und geliebte Pädagogin für Ihre Schülerinnen. Ihr Mut und ihre Wissbegierigkeit machten sie zu einer für ihre Zeit außergewöhnliche Frau kurz vor der Jahrhundertwende. Ihr Spaß an viel Bewegung und am Turnen sollte, neben der Freude am Lehren, auch auf diesem Gebiet eine außergewöhnliche Frau aus ihr machen.

Frauenturnen galt trotz der zunehmenden Akzeptanz der körperlichen Erziehung von Mädchen noch als abstrus. Doch das hielt unser Lüneburgerin nicht davon ab, 1890 Mitglied in der neu gegründeten Damenabteilung des Männerturnvereins (MTV) zu werden. Bald wurde sie in der ständig wachsenden Abteilung die Vorturnerin, engagierte sich sehr im Vereinsleben und war bald die Vorsitzende ihrer Abteilung.

Der Verein öffnete sich nach dem ersten Weltkrieg mutig der modernen gesellschaftlichen Entwicklung und gab Freuen die Möglichkeit, gleichberechtigte Mitglieder mit Stimmrecht neben den Männern zu sein. So wurde unsere Lüneburgerin erstmals in der Geschichte Lüneburgs in den Vorstand eines Sportvereins gewählt. Dieses Amt behielt sie zum Wohl des Vereins und viel Engagement  bis 1932. Da sie dieses Amt jedoch nicht auslastete, setzte sie sich ebenso aktiv für die turnerischen Aktivitäten im ganzen Kreis ein. Sie nahm an vielen Wettkämpfen teil, half und stand denjenigen zur Seite, die in Not geraten waren, betreute die Jugendlichen des Vereins und begleitete sie auf fast allen Reisen zu Turnmeisterschaften.

Bis zu ihrem 70. Lebensjahr war sie die Leiterin der Frauenabteilung und erstaunte immer wieder durch ihr Können und ihre „Fitness“. Einen Tag nach ihrem 70. Geburtstag erhielt sie als erste Frau die „Ehrenurkunde der deutschen Turnerschaft“. Auch 1937, in ihrem letzten Lebensjahr, ging sie jeden Tag noch in die Halle des Sportvereins und freute sich dort am turnerischen Leben.

Ihr Einsatz und ihr Engagement haben dem Frauenturnen einen bedeutenden Platz in der männlich geprägten und geleiteten Sportwelt verschafft. Sie war keine Frau, die Forderungen stellte oder aktiv die Emanzipierung der Frau vorantreiben wollte. Sie hatte eine starke Persönlichkeit und mit ihrer Ausstrahlung, ihrem Mut und vorbildlichen Verhalten hat sie etwas erreicht, was durch laute Forderungen sicher so nicht vorangekommen wäre.

Dieses Portrait ist erstellt worden mit Hilfe der Diplomarbeit von Constanze Sörensen: Biographien Lüneburger Frauen. Soziale Bedeutung von Frauen. Lüneburg, 2005

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