Simone Höppner-Welcher: Frauenpower zwischen Ost und West

Simone Höppner-Welcher: Frauenpower zwischen Ost und West

Ein leckeres indisches Essen – das ist der Rahmen für mein Interview mit Simone Höppner-Welcher, eine der treibenden Kräfte hinter dem Unternehmerinnen-Netzwerk „Kontaktpunkt Unternehmerin Lüneburg“ (kul-info.de) und Diplom-Ingenieurin mit einer hochinteressanten Ost-West-Biografie.

Sie ist aufgewachsen in  Jena, „und ich bin trotz Intelligenzler-Kind – mein Vater war leitender Angestellter – immer gut gefördert worden, wohl weil ich schon immer so ein kommunizierendes Alphatier war, schon in der Schule“, erinnert sie sich schmunzelnd.

Nach einer Berufsausbildung als Physiklaborantin bei Carl Zeiss wurde sie dann auch gemäß der ostdeutschen Planwirtschaft für ein Ingenieurstudium vorgeschlagen. Probleme bei der Arbeitsplatzsuche oder Finanzierung des Studiums wie im Westen gab es nicht, denn „die ostdeutschen Firmen haben genau nach Bedarf ausgebildet,. Danach war es selbstverständlich, dass wir übernommen wurden.“ Ebenso selbstverständlich bekam sie nach erfolgreichem Abschluss des Studiums sofort verantwortungsvolle Aufgaben – für die damals 24jährige keine Besonderheit, sondern eben eine logische Folge ihres erfolgreich absolvierten Studiums – „das war in der DDR einfach so“.

Als die Firma abgewickelt wurde, krempelte sie die Ärmel hoch und ging nach Berlin, um einen auch im Westen anerkannten Abschluss nachzuholen. Parallel dazu arbeitete sie im Vertrieb einer Halbleiterfirma nachdem eine Anstellung als weibliche Ingenieurin Mitte 20 unmöglich zu finden war. Die nächste Etappe führte sie zurück nach Jena, wohin sie dem späteren Vater ihrer Kinder gefolgt war. Nach einer schmerzhaften Erfahrung, als ihr ein (West-)Chef die Verlängerung des Arbeitsvertrags verweigerte, weil sie schwanger war, bekam sie bei einem (Ost-)Chef nur als Antwort „Ein Kind? Wo ist das Problem?“ und fing im Vertrieb einer Softwarefirma an – „das war mein erster Kontakt zur Software, und das hat mich gleich fasziniert“.

Über Göttingen folgte sie ihrem Lebensgefährten jetzt mit zwei Kindern nach Lüneburg, wo sie sich 2001 vor einem allzu westdeutschen Problem wieder fand: es gab keinen Kitaplatz für die dreijährige Tochter. „Also hab ich einen Waldkindergarten gegründet“ – in Adendorf, er existiert heute noch. Über eine Schulung des Arbeitsamtes entdeckte sie ihre Berufung zur Trainerin und arbeitete die nächsten Jahre als freiberufliche IT-Trainerin. Nebenbei zog sie  zwei Kinder groß und studierte an der Fachhochschule Lüneburg Medieninformatik und später an der Univerität Rostock Medien&Bildung.Nach dem erfolgreichen Master-Abschluss arbeitet sie inzwischen bei einem Lüneburger Softwarehaus als Trainerin und technische Redakteurin, mit dem besonderen Steckenpferd E-Learning, dem Lernen über das Internet -„da schließt sich der Kreis wieder“.

Sie selbst empfindet ihre Biografie nicht als besonders spannend, gibt aber zu, dass „ich nie Brot verkaufen musste, sondern immer anspruchsvolle Jobs hatte“. Trotzdem „wollte ich immer Karriere machen, das war mein Traum. Aber wenn mein achtzehnjähriger Sohn heute sagt, du bist ne coole Mutter, dann hab ich es doch richtig gemacht, auch wenn die große Karriere bis jetzt nicht geklappt hat“.  Inzwischen sieht sie die Dinge auch gelassener und meint, „früher hab ich immer losgepowert, was ging, und bin immer an meiner Belastungsgrenze gewesen. Heute arbeite ich so, dass ich das Tempo auch morgen noch durchhalten kann“ und sieht das als eine wichtige Erkenntnis.

Geprägt durch ihre Erfahrungen, ist ihr großer Traum „gerechte Bildung für alle. Das hat man heute ehrlicherweise nicht, da zählt doch erst mal die Herkunft“ . Das Internet ist in ihren Augen eine ganz große Chance dafür, die Bildung wieder zu öffnen, mehr Strukturen und Verständnis für die Hintergründe zu lernen als abfragbares Wissen und damit die Toleranz für andere Menschen und andere Meinungen zu fördern: „Dann öffnet sich die Gesellschaft wieder“.

Ihr Lieblingsbuch ist „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von  Sten Nadolny, weil ihr dieses Buch gezeigt hat, dass  „ich mich nicht entschuldigen muss, wenn ich sage, ich muss über etwas noch nachdenken“ und nicht sofort eine Meinung äußern kann. Überhaupt findet sie es wichtig, die Menschen mitzunehmen, „wichtiger als früher, als ich doch oft einfach vorausgerannt bin“. Das will sie mit ihrem Training auch jeden Fall umsetzen. Und sie hat noch einen Filmtipp für uns: „Speed -auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, der auch das Thema „wie viel Zeit verbringt man womit“ zum Thema hat.

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