Anikó Hauch – So ein Mädchenkram
Personalwesen, das war Mädchenkram, aber nichts für Anikó Hauch. Sie studierte lieber Steuer- und Prüfungswesen, um mit aussagekräftigen Zahlen zu arbeiten. Aber wie es eben so spielt im Leben, sollte sich das Blatt wieder einmal wenden, von Zahlen hin zum Menschen und einer Arbeitsvermittlungsagentur.
In ihrem schlichten, aber doch mit wenigen gekonnten Accessoires angenehm eingerichteten Büro treffe ich auf eine fröhliche und energiegeladene junge Frau voller Tatendrang. Bevor wir überhaupt über sie sprechen können, schneit ein freundlicher Gast herein und hält eine kurze Absprache mit Anikó zum Thema erneuerbare Energien. Das passt gerade so gar nicht in mein Bild und ich muss eine recht fragende Miene haben.
„Ja, das sind die Zukunftsgenossen“ klärt Anikó mich auf. Eigentlich hätte sie vor gut einem Jahr dort einen Posten als Aufsichtsrat einnehmen wollen, angetragen wurde ihr aber die Position der Vorstandsvorsitzenden, also viel operatives Geschäft auf ehrenamtlicher Basis neben ihrer Vermittlertätigkeit. Verdammt viel gelernt hätte sie seitdem über erneuerbare Energien, doch Stop, kurz zurück, worum geht es hier eigentlich?
Die Zukunftsgenossen e.G. Lüneburg sind ein Zusammenschluss von Unternehmen, dem Bündnis 90 / Die Grünen, der Stadt Lüneburg und Privatleuten, die unter dem Motto „Gemeinsam erreichen, was einer allein nicht schafft“, den Aufbau regenerativer Energien und einer nachhaltigen Energieversorgung in Lüneburg und Umgebung fördern und beleben wollen. Das Ziel der Stadt Lüneburg, ab 2020 atomkraftfreie Energie zur Verfügung zu stellen, wird hier aktiv unterstützt.
Die Idee einer genossenschaftlichen Zusammenarbeit entstand 2010 bei den zweimal jährlich stattfindenden Lüneburger Umweltmessen. Den dortigen Ausstellern, die sich Gedanken über eine saubere Energiegewinnung machten, fehlte eine koordinierende Plattform, um kommunale, private und regionale Energieprojekte mit erneuerbaren Energien sinnvoll umsetzen zu können. Um eine wirklich demokratische Form der Zusammenarbeit zu haben, wurde also 2011 eine Genossenschaft mit dem Namen „Zukunftsgenossen e.G.“ mit 13 Gründungsmitgliedern (darunter leider nur 2 Frauen) gegründet. Alle arbeiten bisher auf ehrenamtlicher Basis, eine davon ist Anikó Hauch.
Es gibt noch so viel mehr und auch wichtiges über diese zukunftsweisende Einrichtung zu sagen. Wenn Sie mehr erfahren oder sogar Mitglied werden möchten, sind Sie dort ganz herzlich, nein, mehr als herzlich willkommen. Ich möchte jetzt gerne auf meine Interviewpartnerin zurückkommen.
Statt Zahlen, Steuern und Finanzen also erneuerbare Energien und Personalmanagement. Wie kam sie dazu?
2003, Jahr der Irakkrise und Krise des Finanzgewerbes, fand sie nach ihrem Studium keinen Einstieg als angehende Steuerberaterin. Als Assistentin der Geschäftsführung wurde sie 2005 arbeitslos und bekam von einer Kommilitonin den Hinweis, dass das Arbeitsamt Arbeitsvermittler suchte. Also bewarb sie sich, warum nicht, und bekam auch prompt den Zuschlag. Zweiwöchiger Crashkurs, ja, und dann mach mal!
Sie vermittelte ihren ersten Kunden mit Erfolg und hatte damals die Vorstellung, dass alle Menschen arbeiten wollen, um ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Ihre Interessensschwerpunkte sind im technischen Bereich und sie entdeckte ihr Talent schwerpunktmäßig in der Vermittlung von Handwerkern und gewerblichen Berufen.
Umbrüche und Ereignisse im Privatleben und eine gewisse Unterforderung machten sie unzufrieden, sie wollte mehr. Also, auf in die Selbstständigkeit mit einer privaten Arbeitsvermittlung. Eine moralische Unterstützung brauchte sie aber dennoch, diese starke und mutige Frau. Sie fand sie bei ihrem Mann, der ihr von Anfang an immer zur Seite stand und sie unterstützt, wenn es mal eine Flaute gibt und kein Unternehmen Arbeitskräfte braucht. Dabei setzt sie sich auch und vor allem für Arbeitssuchende ein, die schon länger trotz ihrer guten Potentiale keine Arbeit hatten. Die Gründe dafür können so unterschiedlich sein, aber kein Grund dafür, nicht eingestellt zu werden. Wie schrieb sie doch kürzlich bei „Xing“, dem Businessnetzwerk so treffend:
„Was sind die größten Fehler, die Firmen bei der Stellenbesetzung machen können?
1. Initiativ-Bewerbungen nicht beachten, 2. falsche Beurteilung der Bewerbungsunterlagen – „Vertrauensvorsprung“ , 3. zu lange Reaktionszeit, 4. hoffen auf einen noch besseren Kandidaten, 5. konservative Sichtweise mit dem heutigen Arbeitsmarkt vermischen und 6. ungenügende Kenntnisse der Berufsbilder, zu wenig Empathie.“
Ich glaube, viel ist hier nicht mehr zuzufügen, wie sie ihre Vermittlertätigkeit sieht. Sie vermittelte zum Beispiel erfolgreich einen seit 4 Jahren arbeitslosen 44-jährigen Maurer und Bautechniker, der durch Umbrüche im Privatleben eine Auszeit nehmen musste und so aus dem Erwerbsleben herauskatapultiert wurde in eine vollkommen andere Branche. Sie fand für eine 47-jährige Dame (!) ohne Berufsabschluss und 15-jähriger Mitarbeit im Unternehmen des Mannes nach ihrer Scheidung den gewünschten Ausbildungsplatz, den diese Dame mit Bravour meisterte mit anschließender Übernahme. Es geht also doch!
Ihre Demut vor der Situation, dass es schnell vorbei sein kann im Berufsleben ist groß. Und ihr Respekt wird noch größer, wenn sie miterlebt, wie es so manchem Kind ergeht, das sie bei der Kindertafel e. V. in Lüneburg mit betreut. Hier sammelt sie Spenden, packt bei Veranstaltungen mit an und zieht sich dafür schon mal eine Schürze an, um Waffeln zu backen und hilft vor allem bei der Ausbildungplatzsuche, ehrenamtlich natürlich. „Das gibt Demut vor dem Leben, was man da zum Teil erlebt und wie mit Kindern umgegangen wird.“
Dennoch vergisst sie dabei nicht ihren Traum, eigentlich noch konkreter, ihr Ziel:
In nicht langer Zeit möchte sie vier Aufsichtsratsmandate in Energie- und Technikkonzernen haben. Regenerative Energien sind zu einem ihrer Hauptthemen geworden. Und sie fordert die Frauenquote, was auch immer darüber gesagt und geschrieben wird.